Kalbe-Runde 29.04.2019

Kalbe-Runde 29.04.2019

April 23, 2019 0 Von Christfried Lenz
3 Minuten MDR Bericht
49 Minuten CastorTV Zusammenfassung

Öffentliches Treffen der „Kalbe-Runde“
zur Sanierung des „(Queck-) Silbersees“ Brüchau
Unsere Forderung an die Politik:

Weg den Dreck – nicht Deckel drauf!

Es waren dabei:
• Wirtschaftsminister Willingmann
• weitere Regierungsvertreter und Landespolitiker
• Landrat Ziche
• Vertreter des Erdgas-Unternehmens Neptune Energy

Die Leitung hatten:
• MdL Dorothea Frederking
• Bürgermeister Ruth

Anlass des Treffens waren die Ergebnisse der im August 2018 vom BBU Schubert durchgeführten geoelektrischen Untersuchungen Teil 1 (2) (3) (4) (Anlagen) des Abfallkörpers, die neben anderen Downloads auf der Betreiber-Webseite einsehbar sind. Die von Neptun-Energy für die Kalbe-Runde vorbereitete Bildschirm-Präsentation ist hier verfügbar.


Hintergrund:
Spätestens seit dem Jahr 2000 fordert der Altmarkkreis Salzwedel den Stopp des Einlagerungsbetriebs, da Schadstoffe ins Grundwasser eintreten. Ein 12jähriges intensives Tauziehen zwischen Kreis-Umweltamt, Erdgasunternehmen und Landesbergamt endete wegen nachgewiesener Undichtigkeit der Grube mit der Betriebseinstellung zum 1. Mai 2012.
Heute geht es darum, ob die hoch toxischen Abfälle dauerhaft in der undichten Grube verbleiben und lediglich mit einer Kunststofffolie gegen Niederschläge abgedeckt werden oder ob alles ausgekoffert und auf geeignete Deponien verbracht wird.
Die umliegenden Bewohner, die Stadt Kalbe, der Altmarkkreis Salzwedel, die Stadt Klötze, weitere Gemeinden, die BI „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ und nicht zuletzt der Landesverband Sachsen-Anhalt des BUND befürworten die Auskofferung. Die Landesbehörden neigen bisher der Abdeckung als „Vorzugsvariante“ zu. – Die Diskussion am 29. April, an der sich alle Anwesenden beteiligen konnten, wurde also spannend!

Die FFW Kakerbeck organisierte Gegrilltes und Getränke.


Besorgte Bürger aus Brüchau und Kakerbeck

Bürgerinitiative
„Saubere Umwelt & Energie Altmark“

BUND-Ortsgruppe Brüchau


Offene Fragen im Nachgang zur
„Kalbe-Runde“ vom 29.04.2019

Auf den von BI-Sprecher Lenz vorgebrachten Hinweis, dass die „Recherche zur Einlagerungshistorie“ ein Dokument der Intransparenz sei, entgegnete LAGB-Präsident Schnieber, dass keine Geheimhaltung betrieben werde, sondern dass aus der DDR-Zeit nun mal keine näheren Angaben zum Grubeninhalt vorliegen würden.

Diese Aussage scheint uns nicht haltbar zu sein.

1.) Zunächst ist richtig-zustellen, dass die Angaben aus der DDR-Zeit (1977 bis 1990) genauer sind als die zur Nach-Wendezeit (1991 bis 2012):

Für den Zeitraum von 1977 bis 1990 werden die Einlagerungen aus dem Bergbau in „flüssige Schadstoffe“, „feste Schadstoffe“, „ölhaltige Abwässer“ und „säurehaltige Abwässer“ Abwässer unterteilt. Hinzu kommen detailliertere Angaben zu den erheblichen Schadstoffeinlagerungen aus der Industrie.

Für den Nachwende-Zeitraum von 1991 bis 2012 werden sämtliche Einlagerungen lediglich in „Flüssigkeiten“ und „Feststoffe“ unterteilt.

2.) Im GICON-Bericht vom 09.12.2013 werden aus den bis 1991 getätigten Einlagerungen (auszugsweise) folgende Stoffe aufgeführt:

cyanidhaltiger Schlamm
Falisan-Beizabrieb
Säure und Schmutzwasser
Korex F 50 verwässert
Aresin 25% As
Kupferdoppelsalz
Vanadium
Cadmium-Farbpigmente
Polystyrol
Hytarsol, 8,5% As
Fettfässer
Gelwasser
Aluminiumchloridstipix
Camposan
Flüssiginhibitor
Heizöl
Restsäure
Galvanikschlamm
Schlackenwolle
technisches Wasser
Bohkellerschlamm
Fäkalien
Farbschlamm
Putzlappen
Isoliermaterial

Kreidesalzwasser
Öl-Salzwasser
Diesel
Paratektol
Teerreste und Sand
Salpetersäure
KMnO4 (Kaliumpermanganat)
Spülung und HC1
Thiram, 85%
Kupferchlorid
Alkalifilter
(nicht lesbar)
Triglykolgemisch
Bohrklein
Gasolinschlamm
Spülung
Kesselschlamm
chromhaltiges Abwasser
DWD-Abwasser
Säurewasser
Bohrkellerwasser
Waschwasser
abreagierte Säure
kontaminiertes Erdreich
.

Warum wurden diese Stoffe in der Einlagerungshistorie nicht berücksichtigt? Aus welchen Unterlagen geht diese Liste hervor?

3.) Warum tauchen Blei und Bleiverbindungen an keiner Stelle im Schadstoffinventar auf?

4.) Warum unterließ man es, die in der „Einlagerungshistorie“ enthaltenen pauschalen Bezeichnungen näher zu betrachten und hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit zu bewerten?

  • Sind in der Vielzahl der in Brüchau eingelagerten Pflanzenschutzmittel (PSM) langlebige organische Schadstoffe („POP“ = persistent organic pollutants) enthalten?
  • Sind unter „Pflanzenschutzmitteln“ DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan, das in der DDR am häufigsten verwendete Insektizid) und Hexachlorhexan-Isomere enthalten?
  • Ist damit zu rechnen, dass in den PSM Dioxine und Furane anzutreffen sind?
  • In 1983 wurden von VEB Holzverarbeitung Mieste 3,1 Tonnen Paratektol eingelagert. Handelt es sich hierbei um das in der DDR unter den Markennamen Hylotox IP und Paratectol 9025 verwendete Holzschutzmittel, dessen Wirkstoff Pentachlorphenol (PCP) ist und welches herstellungsbedingt zumeist mit Dioxinen verunreinigt ist?

Hinweis: Dioxine und Furane sind etwa 300’000 mal giftiger als anorganisches Quecksilber und 100‘000 mal giftiger als Methylquecksilber.

5.) Laut dem von Rechtsanwalt Christian Lisec am 13.04.2017 im Auftrag von Jürgen Stadelmann an Dr. Christfried Lenz gesendeten Schreiben gehörte zu den Aufgaben der firmeninternen Abteilung „Umweltanalytik/Labor“ bei Gaz de France Suez Deutschland „die Probenahme und Analytik unter anderem für die Deponie Brüchau“.

  • Warum haben die Arbeitsergebnisse/Erkenntnisse dieser Abteilung keinen Eingang in die Einlagerungshistorie gefunden?

Zahlreiche vorliegende Erkenntnisse sind bei der „Recherche zur Einlagerungshistorie“ offensichtlich ausgeblendet worden. Warum hat das LAGB dennoch die vom Unternehmen vorgelegten 10 Kopien als Erfüllung der in der „Betriebsplanzulassung“ vom 28.10.2017 zum Sonderbetriebsplan unter 2.1.1 erteilten Auflage „Dem LAGB ist … eine Recherche zur Einlagerungshistorie der Abfälle vorzulegen“ akzeptiert?

Eine Anfrage von Uwe Harms (CDU) an die Landesregierung vom 08.05.2019 zur Kalbe-Runde ist hier als Kopie einsehbar.