Meilenstein: Auskofferung beschlossen

Meilenstein: Auskofferung beschlossen

Juni 12, 2020 0 Von Christfried Lenz

Landtag beschließt einstimmig:
Giftmüllgrube Brüchau muss ausgekoffert werden!

Initiatorin des Ganzen war MdL Dorothea Frederking (Grüne). Sie ergriff die Gelegenheit beim Schopf:  Die Im “Endbericht” offiziell bestätigte Undichtigkeit der Grube lässt nur noch eine einzige Sanierungsmöglichkeit zu: Auskofferung und Abtransport.

Ruck zuck entwarf sie einen Beschlussantrag. Hinzu kamen günstige Umstände: Wirtschaftsminister Willingmann (SPD) hatte bereits nach Vorlage der Zwischenberichte erklärt, dass die Auskofferung nun “Vorzugsvariante” werden müsse. Somit war für die SPD-Fraktion klar, dass Doros Entwurf ins “Grün/Rote” traf und zu unterstützen war. Auch Uwe Harms konnte seine CDU-KollegInnen zur Zustimmung gewinnen.

Endeffekt: die Regierungskoalition stand geschlossen hinter Doros Initiative. Die Opposition aus Linken und AfD stellte gewisse eigene Bedenken zurück und machte das seltene Ereignis “Einstimmigkeit” möglich!

Ganz am Anfang hing es am seidenen Faden. Wie eine Löwin musste Doro kämpfen. Doch ihre Hartnäckigkeit hat sich ausgezahlt.

Hier nochmal die ganze Geschichte in 11 Punkten:

  • 1971 Geologen bezeichnen den Untergrund aus Geschiebemergel als für gefährliche Abfälle nur „bedingt tauglich“.
  • 1992 Gutachten der Fa. Geoanalytik: Lithium, Strontium und Chlorid sickern durch die „natürliche geologische Barriere“.
  • 2000 Schreiben des Staatlichen Amtes für Umweltschutz Magdeburg (STAU): Das Grundwasser wird durch die Deponie beeinflusst. Unerlaubte Stoffe werden eingeleitet.
  • 1990er Jahre bis 2012 Angefüllt mit dem Schriftwechsel zwischen dem Umweltamt des Altmarkkreises Salzwedel (AMK) und dem Landesbergamt LAGB: der Altmarkkreis verlangt Stopp der Einlagerungen wegen Grundwasserschädigung, das LAGB erlaubt den Weiterbetrieb.
    – Es sind bewegende Dokumente des über Jahrzehnte nicht nachlassenden Bemühens eines redlichen Amtsleiters – Herbert Halbe – seinem Aufgabengebiet „Umweltschutz“ gerecht zu werden.
  • 2012Betrieb der Grube wird wegen Undichtigkeit eingestellt.
    Dubios: Das gesetzlich vorgeschriebene Sickerwassergutachten wird vom Betreiber (Gaz de France, GdF) nicht vorgelegt. Das LAGB duldet die Nicht-Vorlage des Gutachtens.
  • 2015Endbericht“: Vorzugsvariante für endgültige Schließung: Abdeckung. Diese setzt die Dichtigkeit der Grube voraus. >>Landesanstalt für Altlastenfreistellung (LAF) und LAGB/Wirtschaftsministerium behaupten: die Grube habe sich von 2012 bis 2015„von selbst“ abgedichtet!
  • 2017Sonderbetriebsplan“ zur Vorbereitung der endgültigen Schließung. Der AMK zeigt auf, dass Grundwasseruntersuchungen so angelegt werden sollen, dass dort gesucht wird, wo keine Belastungen zu erwarten sind und Bereiche, wo Belastungen zu erwarten sind, von der Untersuchung ausgeschlossen werden. Daraufhin wird der zentrale Teil des Sonderbetriebsplanes nicht genehmigt.
    Bezüglich des eingelagerten Materials bestehen erhebliche Kenntnisdefizite. Eine Recherche zur „Einlagerungshistorie“ bringt nur magere Ergebnisse.
    Dubios: Die Abteilung „Umweltanalytik“ bei GdF war unter anderem zuständig für die Probenahme und Analytik der Grube Brüchau. Die BI „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ verlangte, die in dieser Abteilung vorliegenden Erkenntnisse in die Recherche zur Einlagerungshistorie einzubeziehen. Dies geschah jedoch nicht. Die Ergebnisse jener Abteilung befinden sich bis heute unter Verschluss.
  • 2018/2019 Geoelektrische Messungen und Untersuchungsbohrungen.
  • 2020 FebruarZwischenberichte“ bestätigen, was von Anfang an bekannt war: die Grube ist undicht. Der Geschiebemergel an sich stellt schon keine zuverlässige Abdichtung dar. Zusätzlich wurden 7 Stellen gefunden, an denen er gar nicht vorhanden oder dünner als 30cm ist.
  • 2020 MaiEndbericht“ erscheint. Bestätigt die Ergebnisse der Zwischenberichte.
  • 2020, 12. Juni Landtagsbeschluss: Unverzügliche Planung für eine zügige und sichere Beseitigung der gesamten Giftschlammgrube, für Abtransport und sichere Endlagerung der Inhaltsstoffe in geeigneten Deponien an anderen  Standorten,  sowie  für  die  notwendigen  Maßnahmen  zur  Renaturierung  und zum Gewässerschutz einschließlich Reinigung von kontaminiertem Grundwasser.

Eigentlich hat niemand damit gerechnet, dass die Untersuchungen ein Ergebnis hervorbringen würden, das der bisherigen Position

  • des Unternehmens Neptune,
  • der Ministerien für Wirtschaft und für Umwelt
  • und der ihnen unterstellten  Behörden LAGB und LAF

derart ins Gesicht schlägt.

Die Vermutung liegt nahe, dass die Firma CDM Smith Consult GmbH in Leipzig, die im Auftrag von Neptune die Berichte erstellt hat, angesichts der öffentlichen Aufmerksamkeit es auf keinen Fall riskieren wollte, durch im Nachhinein vielleicht anzuzweifelnde Ergebnisse ihr Image zu beschädigen. – Erneut zeigt sich, welche Wirkung eine wach- und regsame Öffentlichkeit hat!

Hier die Berichte der Medien:
MDR-Hörfunk gestern:

https://www.mdr.de/nachrichten/audio/audio-1432664.html

MDR-Fernsehen gestern abend:
https://www.mdr.de/video/mdr-videos/a/video-418226.html

AltmarkZeitung heute:
Anhänge 1 und 2

Volksstimme heute:
https://www.volksstimme.de/sachsen-anhalt/umwelt-giftiges-erbe-fuer-sachsen-anhalt
Kommentar: Anhang 3

Süddeutsche Zeitung gestern:
https://www.sueddeutsche.de/wissen/umweltpolitik-landtag-magdeburg-landtag-stimmt-fuer-abbaggerung-der-giftschlammgrube-bruechau-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200612-99-402307

Anschließend nochmal der NL von gestern mit unserer PM und dem Posting aus dem Büro Dorothea Frederking:

zum heutigen denkwürdigen Tag unsere Pressemitteilung:

Landtag beschließt einstimmig: Giftmüllgrube Brüchau muss ausgekoffert werden!

Die Sachlage ist so klar, dass sich ihr kein Abgeordneter entziehen konnte: Nachdem durch Untersuchungen in den letzten drei Jahren erneut und noch deutlicher als früher festgestellt wurde, dass die Grube undicht ist und jährlich Schadstoffe tonnenweise ins Grundwasser gelangen, geht an der Auskofferung kein Weg mehr vorbei.

Dass Neptune die Abdeckung weiterhin als mögliche Variante aufführt und behauptet, dass die undichten Stellen geflickt werden könnten, ist absurd. Der Geschiebemergel an der Basis der Grube ist an sich schon durchlässig, da mit Kalkbändern Steinen und Sand durchsetzt. Die 7 Stellen, an denen dieser Geschiebemergel nicht einmal vorhanden, oder weniger als 30 cm stark ist, wurden rein stichprobenartig ermittelt. Die  Gesamtzahl der Fehlstellen ist also gar nicht bekannt. Eine Flickaktion wäre abwegig. Ihre “Machbarkeit zu untersuchen” hätte als Motiv nichts anderes als weiteren Zeitverzug.

Dies hat auch der Landtag durchschaut und forderte daher, dass
“unverzüglich ein genehmigungsfähiger Plan für eine zügige und sichere Beseitigung der gesamten Giftschlammgrube, für einen Abtransport und eine sichere Endlagerung der Inhaltsstoffe in geeigneten Deponien an anderen  Standorten  sowie  für  die  notwendigen  Maßnahmen  zur  Renaturierung  und zum Gewässerschutz einschließlich Reinigung von kontaminiertem Grundwasser erarbeitet wird”.

Die heute gefallenen Worte waren gut. Wenn die entsprechenden Taten folgen, hatten wir heute einen guter Tag für Menschenschutz, Umweltschutz und gelebte Demokratie!

Im Anhang 2 die PM von MdL Dorothea Frederking und nachstehend das heutige Posting aus ihrem Büro mit Video und Fotoserie.

Doro ist diejenige, die durch einen heldenhaften Kampf erreicht hat, dass das möglich wurde, was heute im Landtag geschah.
Viele Grüße,
Christfried Lenz (und bis bald)


——– Weitergeleitete Nachricht ——–

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Auftrag von Dorothea Frederking und mit den besten Grüßen von ihr lasse ich Ihnen folgende Erfolgsnachricht zur heutigen Landtagsdebatte zur vollständigen Beseitigung der Griftschlammgrube Brüchau von ihr zukommen:

„Lange hieß es, von der Giftschlammgrube Brüchau gehe keine Gefahr aus. Deshalb wurde die Auskofferung nicht verfolgt. Inzwischen ist die Situation eine andere:

Die aktuellen Untersuchungsergebnisse werden von allen anerkannt und sie belegen klar: Die Grube ist undicht.

Es gibt eine neue Gefährdungsabschätzung.

Jetzt ist der Zeitpunkt, um endlich konkret zu planen, wie die Ausbaggerung inkl. Abtransport zu geeigneten Deponien an anderen Standorten funktionieren kann. Nur dann können die Menschen in der Altmark wieder ohne Angst und Sorgen um ihre Gesundheit leben. Oder wie es bei der heutigen Kundgebung auf dem Domplatz treffend hieß: „Weg den Dreck“ und „Entgiftung jetzt!“

Hier zum Link zu den beiden Reden von Doro sowie zur gesamten Debatte >>>

Der beschlossene Antrag befindet sich im Anhang dieser Mail, genauso wie die heutige PM von Dorothea Frederking dazu.

Hier der Link zum Video mit Doro, welches heute während der Kundgebung vor dem Landtag entstand >>>

Hier zum Foto-Album der heutigen Kundgebung >>>