
DAC, CO₂-Abscheidung, blauer Wasserstoff, E-Fuels – alles Betrug?
„DAC ist Betrug, CO₂-Abscheidung ist Betrug, blauer Wasserstoff ist Betrug, E-Fuels sind Betrug“
In seinem finalen Manifest „Der energethische Imperativ“ schreibt Hermann Scheer zum Thema CCS: „Tatsächlich handelt es sich bei dieser Technik um einen Rettungsring für fossile Großkraftwerke mit vielen unverantwortbaren Folgen. Die CCS-Option ist keine >Übergangstechnik<, sondern eine Kapitulation vor den Bestandserhaltungsinteressen der fossilen Energiewirtschaft“. 10 Seiten widmet er dem Thema und hat es damit erschöpfend abgehandelt.
Dass zwischenzeitlich irgendwelche Verbesserungen und Weiterentwicklungen stattgefunden hätten, wie Robert Habeck (Grüne) als Wirtschaftsminister behauptete, ist schlicht unzutreffend. Einige neue Erkenntnisse sind hinzu gekommen, aber ausschließlich solche, die die Abwegigkeit der ganzen Idee noch mehr verdeutlichen. So ist in letzter Zeit zunehmend klar geworden, dass durch CCS der CO2-Gehalt der Atmosphäre nicht nur nicht vermindert, sondern sogar erhöht wird.
Bei mindestens 70% angeblicher CO2-Speicherung handelt es sich um EOR
Schon länger bekannt ist Folgendes: Wie die Bundesregierung in ihrem aktuellen CCS-Evaluierungsbericht selber einräumt, handelt es sich bei 70 Prozent (andere Quellen nennen 80 Prozent) der weltweit als „CCS“ firmierenden Betriebe in Wirklichkeit um EOR (Enhanced Oil Recovery). Hierbei wird CO2 nicht zwecks klimaschützendem dauerhaftem Verbleib in den Untergrund gepresst, sondern um die Ölförderung zu effektivieren. Während mit den „normalen“ Fördermethoden ein Ölfeld zu 20 bis 40 Prozent ausgebeutet werden kann, steigert sich dieser Wert durch EOR auf 30 bis 60 Prozent. Ein gewisser Anteil (man findet Angaben von 30 bis 40 Prozent) des eingepressten CO2 verbleibt einstweilen im Untergrund, das Übrige gelangt mit dem geförderten Öl sogleich wieder in die Atmosphäre. Bei Berücksichtigung der CO2-Emissionen, die bei der Verbrennung des zusätzlich geförderten Öls entstehen, zeigt sich, dass durch den Prozess rund doppelt so viel CO2 freigesetzt wird als wenn die Abgase des fossilen Kraftwerks unbehandelt in die Luft gelassen würden.
Wenn – wie in den USA nicht selten praktiziert – CO2 für EOR aus natürlichen Reservoiren (etwa bei Vulkanen) entnommen wird, ist die Klimabilanz verständlicherweise noch wesentlich schlechter.
Geologe Krupp: „CCS ist eine neue Gefahr für das Klima“
Eine neue und dabei frappierend einfache und einleuchtende Feststellung, wonach durch CCS der CO2-Gehalt der Atmosphäre erhöht wird, hat der Geologe Dr. habil. Ralf E. Krupp in die Diskussion gebracht. Anfang Mai erschien seine von Greenpeace beauftragte Studie „Speichervolumen von CO2-Endlagern in der Nordsee stark überschätzt“. Hierin macht er darauf aufmerksam, dass man bei „CO2-Speichern“ Undichtigkeiten nicht nur befürchten muss, sondern dass diese notwendige Voraussetzung dafür sind, dass die Injektion von CO2 in saline Aquifere (vorherrschende geologische Formation unter der Nordsee) überhaupt machbar ist: „Bei der Einspeicherung größerer Mengen CO 2 in einen Aquifer findet zur Raumschaffung am Speicherort immer eine (mindestens) volumengleiche Verdrängung des ursprünglichen Porenfluids durch das CO 2 -Fluid statt. Gäbe es keine Wege, über welche das ursprüngliche Formationswasser, oder bei fortgesetzter Verpressung das CO 2 -Fluid selbst entweichen könnten, würde sich wegen der nur geringen Kompressibilität des Formationswasser und des Porenspeichers in kurzer Zeit ein hoher Druck aufbauen, der letztendlich in einer hydraulischen Rissbildung enden würde.“
Da die Porenfluide neben sonstigen stark umweltschädlichen Stoffen meist Methan enthalten, gelangt auch dieses durch Verdrängung zunächst ins Meerwasser und letztlich teilweise in die Atmosphäre. Methan hat nach 20jähriger Freisetzung die 86fache und nach 100 Jahren die 34fache Treibhauswirkung von CO2. Krupp setzt sogar etwas niedrigere Werte an, nämlich 72fache, bzw. 25fache Treibhauswirkung und folgert: „So wird bei CCS verpresstes Kohlendioxid im Idealfall gespeichert, aber gleichzeitig wird zusammen mit dem verdrängten Formationswasser das natürlich vorhandene Methan mit der 25-fachen (GWP 100 ), bzw. 72-fachen (GWP 20) Treibhauswirkung gegenüber CO 2 ebenfalls verdrängt. Ab einem Verhältnis von eingespeichertem CO 2 zu verdrängtem Methan von 1:25 (4 Prozent) bzw. 1:72 (1,4 Prozent) wird die Klimaschädlichkeit daher allein durch diesen Verdrängungseffekt zunehmen.“
So sieht also die Wahrheit aus gegenüber der von der Bundesregierung verbreiteten Behauptung: „Geeignete geologische Speicher sind zum Beispiel ausgeförderte Öl- oder Erdgaslagerstätten und Salzwasser führende Gesteinsschichten (sog. salinare Aquifere). In diese Speicher können große CO₂-Mengen injiziert und sicher über geologische Zeiträume gespeichert werden.“
CCS-Befürworter Wallmann greift die Argumentation Krupps auf
Bemerkenswert ist, dass Prof. Klaus Wallmann, Leiter der Forschungseinheit Marine Geosysteme am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und gewissermaßen oberste Instanz bei der Einführung des CCS unter der Nordsee, Krupps Argumente aufgreift. Im Mitteldeutschen Rundfunk nannte er bei den „Umweltrisiken, die minimiert werden müssen“, u.a. „das Austreten von Schadstoffen mit dem Wasser, das aus dem Sandstein verdrängt wird“.
Doch auf welche Weise soll das „minimiert“ werden? Da die Speicher undicht sein müssen, um CO2 in sie einleiten zu können, wird das gesamte CCS ad absurdum geführt. Die Umweltrisiken werden vermieden, indem man CCS vermeidet.
Unabhängig von dieser Thematik äußert sich Wallmann ernüchternd bis pessimistisch zum CCS-Potential der Nordsee: Die Kapazitäten seien beschränkt, und es bräuchte im günstigsten Fall 10 Jahre, um einen Speicherstandort einzurichten. Die Kosten der Erkundung würden sich auf über 100 Millionen Euro belaufen.
Island: CO2-Entnahme aus der Luft verfehlt Ziele krachend
Ein weiteres Beispiel, wo technische Maßnahmen den CO2-Gehalt der Atmosphäre verringern sollten, tatsächlich ihn aber erhöhten, hat weltweit Schlagzeilen gemacht: In Island versuchte die aus der Schweiz stammende Firma Climeworks seit 2021 CO2 direkt aus der Umgebungsluft herauszufiltern und in dem dortigen Gestein unter der Nordsee zu mineralisieren. Man machte sich große Hoffnungen, betrachtete das Projekt als Pilot für eine weltumspannende Industrie, die das Klimaproblem lösen würde. Einige Jahre lang kamen auch optimistische Meldungen und brachten die enormen benötigten Geldströme zum Fließen, denn das Verfahren ist sehr teuer.
Im Mai 2025 schaute sich Investigativjournalist Bjartmar Alexandersson von der isländischen Wochenzeitung Heimildin die Unterlagen genauer an und fand, dass die zweite, seit 2024 betriebene Anlage statt der geplanten 36.000 Tonnen nur 105 Tonnen CO2 eingefangen hatte. Auch die erste Anlage war weit unter den Erwartungen geblieben. Unter dem Strich war durch den Betrieb der Anlagen mehr CO2 emittiert worden als sie der Luft entzogen hatten.
Neu im Blick: Gefährlichkeit von CO2-Pipelines
Aus den USA sind mehrere Havarien von CO2-Pipelines bekannt. Erschreckend ist der Bericht über den Pipelinebruch 2020 bei Satartia im Bundesstaat Mississippi. Dutzende Bewohner des Ortes brachen zusammen, wurden bewusstlos, 45 mussten in Krankenhäusern behandelt werden, 200 wurden evakuiert. Es geschah in einer abgelegenen Gegend. – Welche Auswirkungen hätte ein solches Ereignis im dicht besiedelten Deutschland?
Hierzulande wird sogar eine ganz besondere Gefahr programmiert: CO2 aus diversen Industriebranchen soll in den Pipelines zusammengeführt werden. Da das CO2 niemals rein sein kann, kommen in der Pipeline unterschiedliche Beistoffe zusammen. Wie diese sich zu einander verhalten, ist eine hoch gefährliche Unbekannte. Nirgendwo sind bisher Erfahrungen mit derartigen Stoffmischungen gemacht worden.
Wie „CORRECTIV“ im April berichtete, schätzt auch das CCS-freundliche Wuppertal Institut diese Problematik als „hochrelevant und nicht trivial“ ein. „Bereits geringe Mengen an Begleitstoffen im CO2-Strom könnten den Zustand verändern, etwa indem sich das Gas plötzlich ausdehne.“ schreibt CORRECTIV und zitiert Karin Arnold, Co-Leiterin des Forschungsbereichs Systeme und Infrastrukturen: „Es kann sein, dass die Pipeline das nicht mitmacht“. „Dadurch könnten Risse entstehen und Gas entweichen.“
CCS & Co – analysiert auf Basis der Thermodynamik
Dr. Bernhard Weßling (Chemiker, Naturforscher, Unternehmer, Erfinder und Pionier in der Vermarktung der Stoffklasse „Organische Metalle“, Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften) hat sich CCS und besonders auch den CO2-Direktentzug aus der Luft (DAC) vorgenommen und ausgehend von der Thermodynamik untersucht. Sein Ansatzpunkt: Um den derzeitigen (viel zu hohen) CO2-Gehalt auch nur zu stabilisieren, müsste täglich der CO2-Neueintrag in Höhe von 1.033 Milliarden Barrel herausgefiltert und entsorgt werden. Der Energieaufwand, der hierzu nötig wäre, würde ca. 66% der weltweiten für das Jahr 2030 prognostizierten Gesamtstromerzeugung erfordern. Für die zu bewegenden Volumina müsste eine Industrie mit dem 10- bis 20fachen Umfang der heutigen globalen Öl-Infrastruktur aufgebaut werden.
Betrachtet man CCU und möchte 10% des eingefangenen CO2 etwa für die Herstellung alternativer Kraftstoffe nutzen, müsste man hierfür 55% der weltweit für 2030 prognostizierten Stromproduktion einsetzen. Im Kapitel 7 der Neuauflage seines Buches „Was für ein Zufall! – Zum Ursprung von Unvorhersehbarkeit, Komplexität, Krisen und Zeit“ (SpringerNature März 2025) beschreibt und berechnet er diese Zusammenhänge im Detail. Für die Schadwirkung von Maßnahmen wird der Begriff „Entropie“ verwendet. Fazit bezüglich der Rückholung von CO2 aus der Luft: Einer eventuellen Verbesserung der Situation in der Atmosphäre stünde durch Energiebedarf, Materialaufwand, Landverbrauch und viele weitere Kollateralschäden eine Entropie gegenüber, die den Umfang der Verbesserung in gigantischem Ausmaß übersteigt.
Maximal prägnant hat es Mark Z. Jacobson, Professor an der Stanford University in Kalifornien und weltweit renommierter Forscher im Bereich 100 % Erneuerbarer Energieszenarien und anderer sauberer Technologien auf den Punkt gebracht: „DAC ist Betrug, CO₂-Abscheidung ist Betrug, blauer Wasserstoff ist Betrug, E-Fuels sind Betrug“. Das ist die klarste und wahrste Aussage, die es in der gesamten Geschichte der Anti-CCS-Bewegung bisher gegeben hat.
Schlüssel für Sanierung des Klimas: die Photosynthese
Das 8. Kapitel in Weßlings o.g. Buch ist überschrieben „Was können wir tun – und was die Natur?“ Hierin wird dargelegt, dass nur natürliche Prozesse die Chance enthalten, dem Klimawandel entgegen zu wirken: die Photosynthese, sowie Aktivitäten von tierischem und pflanzlichem Leben in Mooren, Feuchtgebieten und gesunden Böden, wie sie etwa durch biologische Landwirtschaft entstehen. Auch im Wald ist der Boden von großer Bedeutung. Sein Potential der Kohlenstoffspeicherung übertrifft das der Bäume.
Auch höher entwickeltes tierisches Leben in Wald und Flur nimmt wichtige Funktionen wahr. Weßling hebt immer wieder hervor, dass Klimaschutz und Biodiversität nicht nur gleich wichtig sind, sondern sich gegenseitig bedingen: ohne Biodiversität kann es keinen Klimaschutz geben und umgekehrt.
Hans-Josef Fell machte kürzlich auf das riesige Potential aufmerksam, das Großalgen im Ozean für das Klima haben. https://www.pv-magazine.de/2025/07/15/abschied-vom-technischen-dac-es-gibt-besseres/
Die sanierenden Kräfte sind in der Natur vorhanden. Statt wahnwitzige Technologien auszutüfteln, die alles nur schlimmer machen würden, haben wir die Chance, unser Dasein so zu gestalten, dass die natürlichen Kräfte den Raum erhalten, den sie benötigen, um wirken zu können.
Moorbild Quelle: Dr. B. Weßling (creative commons)